Das bislang ungenutzte Potenzial politischer Digitalkommunikation.
Ist die deutsche Politik online wirklich so schwach aufgestellt?
Auch wenn die Präsenz auf sozialen Medien offiziell mittlerweile fest dazu gehört, sieht man beim Betrachten der Profile von deutschen Politiker:innen, Parteien und anderen politischen Akteuren, dass viele, auch bekannte Akteure, online immer noch Probleme haben, mit ihren politischen Postings, große Zahlen von Menschen zu erreichen. Teilweise fehlen ganze Profile: Auf einer der gesellschaftlich relevantesten und meinungsbildendsten Plattform YouTube, haben viele Politiker:innen kein Profil. Bestehende Social-Media-Accounts auf YouTube - und auf anderen Plattformen - werden nicht selten ohne Fachkenntnisse eingesetzt, sodass viele Accounts im Hinblick auf ihre erzielte Reichweite eher die Funktion eines parteiinternen Newsletters einnehmen.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Walter-Borjans, Merz, Hofreiter, Amthor auf Instagram.
Die Co-SPD-Vorsitzende Saskia Esken auf Instagram.
Offizielle YouTube-Videos von Bündnis 90/Die Grünen (rechts), SPD (links).
Offizielle Instagram-Stories des Bundeskanzlers.
Selbst unseriöse Accounts, extra darauf ausgelegt gegen bestimmte politische Agenden zu arbeiten, sind oft erfolgreicher als die Parteien selbst.
Veranschaulichung
Der Account @GegenDieGrünen bekommt durchschnittlich 16-20 tausend Likes. Die Grünen schaffen auf ihrem größten Kanal durchschnittlich 4-5 tausend Likes.
Vorteile angepasster Digitalkommunikation
Reichweite für politische Botschaften
Es gibt in Deutschland nicht viele, aber Tendenz-steigend immer mehr Politiker:innen, die anfangen, soziale Medien erfolgreich zu nutzen. Sie stoßen damit auf große inhaltliche Erfolge und auf die Sympathie vieler Menschen.
Adrian Schimmelpfennig, Gründer von Zeitgeist-Politics über Sahra Wagenknecht:
„Man möge zu ihren politischen Inhalten verschiedener Meinung sein, aber Eines hat Sie verstanden. Sie hat verstanden, dass man Menschen nicht nur auf dem Marktplatz live, sondern auch auf YouTube effektiv erreichen kann. Das mag nach einer Erkenntnis klingen, die so offensichtlich ist, dass sie nicht nur Sahra Wagenknecht haben konnte. Jedoch ist Sahra Wagenknecht bis jetzt faktisch die einzige deutsche Politikerin, die digitale Kommunikation fachlich intelligent einsetzt und damit regelmäßig Millionen Augen und Ohren anzieht.
Auf dem Marktplatz ist es eine Rede vor 800, auf YouTube ein Dialog-fähiger Raum vor 800.000 Tausend.
Mit Videos, die in ihren technischen Möglichkeiten, in ihrer Dynamik, Shareability, visueller Unterstützung, etc. als Kommunikations-Modell politisch sogar viel interessanter und leistungsfähiger ist.“
Um den Einfluss Sahra Wagenknechts YouTube-Account in Relation zu setzten:
Die Top-Kommentare unter einem Video von Sahra Wagenknecht bekommen im Durchschnitt mehr Likes (meist 2000-3000 Likes pro Kommentar), als die Beiträge vieler, oben angeführter Spitzenpolitiker:innen.
AOC: Ein Musterbeispiel moderner politischer Kommunikation
AOC (Alexandria Ocasio-Cortez) erreicht über fachgerechte Social-Media-Nutzung Millionen von Menschen. Das beschafft ihr nicht nur eine ganz besondere Sympathie und Bürgernähe. Sie gewinnt Wahl nach Wahl und schlägt den zuvor 11 Mal wiedergewählten Amtsinhaber. Sie begründet mit ihrer digital-kommunikativen Dominanz einen neuen Stil der politischen Kommunikation.